DOSIS in Zehlendorf: Die etwas andere Wiederauferstehung auf der Fête de la Musique
Zehlendorf. Ein lauer Juniabend auf der Fête de la Musique. Gerade hat ein sechsköpfiges Jazz-Swing-Sextett die Bühne verlassen und das Publikum in eine wohlige Trance aus Walking Bass und sanften Bläsersätzen gewiegt. Man nippt am Wein, klatscht höflich und stellt sich auf den nächsten entspannten Act ein. Man erwartet aber definitiv nicht DOSIS.

Der Kontrast hätte kaum brutaler sein können. Wo eben noch elegante Swing-Rhythmen schwebten, explodiert plötzlich ein Wall of Sound. Als das Trio die Bühne betritt, schneiden die ersten Akkorde von „Tatort Paradis“ wie ein rostiges Messer durch die beschauliche Atmosphäre. Das ist kein sanftes Plätschern, das ist eine Ansage. Eine raue, ungeschliffene Mischung aus Grunge-Attitüde und Indie-Pop-Melancholie, die das Publikum erst einmal kollektiv die Stirn runzeln lässt. „Die Party ist wo anders“, der zweite Song, scheint die Situation ironisch zu kommentieren. Einige der älteren Herrschaften im Publikum tauschen irritierte Blicke. Ja, die Party war bis eben definitiv woanders.
Doch DOSIS, die Band, die sich 1998 nach drei intensiven Jahren aufgelöst hatte, ist nicht zurückgekommen, um es irgendwem recht zu machen. Das spürt man sofort. Die fast 30 Jahre nach ihrer Gründung wiedervereinten Dirk und Dominik, nun verstärkt durch das neue, aber wie ein fehlendes Organ wirkende Mitglied Marco am Bass, spielen nicht nur Songs. Sie spielen um ihr Leben, oder besser gesagt: für ihre Wiedergeburt.
Die anfängliche Irritation im Publikum weicht einer zögerlichen Neugier. Die rohe Energie, die von der Bühne strömt, ist einfach zu authentisch, um sie zu ignorieren. Dirk singt Zeilen wie „Ich bin der Weg“ mit einer fesselnden Dringlichkeit, die unter die Haut geht. Man merkt: Hier geht es um mehr als nur um Musik. Es ist eine Befreiung.
Dominiks vielseitiges Bassspiel ist versiert, die Sounds vielschichtiger als damals, aber immer noch mit dieser unverkennbaren Kante. Und dann ist da Marco, der neue Mann, der mit einer stoischen Ruhe das rhythmische Fundament legt, auf dem sich die beiden Gründungsmitglieder austoben können.
Bei „Lauf“ und „Geister“ ist der Bann endgültig gebrochen. Die ersten Köpfe beginnen zu nicken, Füße wippen auf dem Asphalt. Eine Gruppe jüngerer Zuhörer, die vielleicht noch nicht einmal geboren war, als DOSIS ihre erste Runde drehten, fängt an zu tanzen. Sie verstehen die Botschaft, die zeitlos ist: Ausbruch, Reibung, die Suche nach einem Ventil.
Zum Abschluss dann der Test, wie Sänger Dirk es ankündigt: „Steig ein“, ein Song, fast 30 Jahre alt. Man wolle mal sehen, ob der heute noch funktioniert. Und wie er funktioniert. Die Einladung wird vom Publikum nun dankbar angenommen und in der kollektiven Energie des Moments wirkt der Song so relevant wie eh und je. Nach 40 Minuten, die sich wie ein einziger, kathartischer Rausch anfühlen, ist der Beweis erbracht. Der Applaus ist ehrlich, laut und verdient. Die anfängliche Irritation hat sich in pure Begeisterung verwandelt.
Für alle, die dabei waren, war es mehr als nur ein Konzert. Es war die perfekte Wiedergeburt einer Band, die schon damals ihrer Zeit voraus war und heute seltsamer und unberechenbarer denn je wirkt. DOSIS hat an diesem Abend in Zehlendorf bewiesen, dass ihre Musik kein Verfallsdatum hat. Ihre Botschaft bleibt dieselbe: Manchmal braucht es eben die richtige Dosis, um die Realität wieder geradezurücken. Willkommen zurück.
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